Rein in die Garage, Sprit aus dem Tank und noch kurz den Ausgleichsschlauch der die zwei Kammern des Tanks verbindet wechseln, denn dieser sorgte in den letzten Tagen im Umkreis von drei Metern um den Russen herum für eine dezente Duftnote. Nun ist es zwar üblich, dass ein Uralgespann irgendwie immer sein Revier markiert, aber Benzin ist brennbarer als Öl und zudem schmerzt der Verlust aus dem Tank auch noch im Portmonai. Außerdem kriege ich so endlich das Wasser aus dem Tank, das sich ja immer unten absetzt. Danach schmeiße ich mein Zeug in den Beiwagen und fahre – rückwärts, wie es sich für eine Ural gehört – aus der Garage. Die Strecke gibt der wie immer selbstgeschriebene Routenplan in der Kartentasche vor und ich brumme meinem ersten Wintertreffen in der Eifel entgegen. Und das auch noch mit der Großbaustelle Katjuscha, auch bekannt als 650er Ural Inlandsschlampe Inlandsmodell. Ein wenig Sorgen mache ich mir schon, ob sie mich überhaupt bis ans Ziel trägt, aber wir werden sehen.
Über mir wohl bekannte Strecken erreiche ich ohne Probleme Lüdenscheid und danach Halver. Dann nehme ich die Bundesstraße Richtung Wipperfürth und bin sehr schnell im Bergischen Land. Ein Glück das es nicht so kalt ist wie in den letzten Tagen und das sich heute sogar die Sonne zeigt und ich so durch eine wunderschöne Winterlandschaft brausen kann. Das ist etwas, was die Saisonfahrer wirklich verpassen: Mit dem Motorrad durch eine glitzernde und vor Schnee gleißende Bergwelt zu fahren, so hell, dass eine Sonnenbrille nötig ist. Es ist schön wieder unterwegs zu sein, das hat mir wirklich gefehlt die letzten Wochen, in der ich mich auf Fahrten zur Arbeit und wieder nach Hause reduziert hatte. Dabei empfinde ich im Winter gar nicht mal die Kälte als unangenehm, es ist einfach das im Dunkeln losfahren und im Dunkeln nach Hause kommen. Das Licht fehlt mir dabei nicht, eher stört mich, dass ich im Dunkeln meine Umgebung nicht wahrnehmen kann. Keine Bäume, keine Häuser, keine Menschen, bei jeder Fahrt nur Schatten. Das ist jetzt anders, eine echte Wohltat.
Die Ural boxt mich bisher noch ohne Probleme bis Wipperfürth und von dortaus geht es weiter über die B506 nach Bechen, wo ich auf eine Nebenstrecke nach Odenthal schwenke. Die Straße wird enger, die Strecke schöner und unter den Lenkerstulpen etwas wärmer, je näher ich Köln komme. Temperaturbezogen natürlich.
Schließlich erreiche ich Dünnwald und staune nicht schlecht, als auf dem Straßenschild “Köln – Ortsteil Dünnwald” steht. Plötzlich und unerwartet befinde ich mich Stadtgebiet der Metropole am Rhein. Und ich finde mich nicht wirklich gut zurecht. Zuviel Verkehr, ein undurchschaubares Netz von Ringen, eher zufällig gelingt es mir den Rhein zu überqueren. Ich lasse mich treiben, fahre ungefähr in die Richtung, die mir richtig scheint, muss aber trotzdem zwei Mal an einer Tankstelle nachfragen, bis ich die B51 finde, die mich zu meinem nächsten Ziel außerhalb von Köln bringt: Brühl. Doch auch hier finde ich mich nicht wirklich zurecht, keines der Straßenschilder zeigt ein Ziel das auf meiner Liste steht. Durch Nachfragen gelingt es mir herauszufinden, dass ich Richtung Düren fahren soll, um in Nörvenich Richtung Zülpich zu fahren. Das klappt sogar wie vom Tankwart beschrieben und die gut ausgebaute Bundesstraße bringt mich schnell durch das flache Land nach Zülpich. Von dort fahre ich Mechernich entgegen, wo ich mich im Ortsteil Bergheim mit Bert bei seinem Bruder treffen will. In Mechernich verfehle ich jedoch die bescheuert beschilderte Abfahrt im Kreisverkehr und muss noch einmal drehen, aber dann klappt es. Ich finde in Bergheim sofort die Straße und auch sofort das Haus. Die Nummer muss ich dafür nicht ablesen, es kann ja nur das Haus sein, wo ein lederfettiges Enfield Sommer Hatz Gespann mit hölzernem Lastenbeiwagen in der Einfahrt steht. Ich stelle mich dazu und Bert kommt aus dem Innenhof des Hauses herbeigeeilt. Wir begrüßen uns, er ist selbst erst vor zehn Minuten eingetrudelt, das passt ja.
Ein wenig Gequassel und eine Zigarettenlänge später kommt auch Berts Bruder Uli samt Frau Magarete und den Kindern auf den Hof gefahren und nach einer herzlichen Begrüßung bereiten wir im Haus unseren Schlafplatz. Ich darf die ausziehbare Couch belegen, während Bert es sich im Zimmer der Zwillinge einrichtet. Magarete und Uli sind sehr freundlich und ihr Zuhause strahlt Wärme aus, ich fühle mich wohl, auch wenn ich solch nette Angebote immer mit einem schlechten Gewissen annehme. Natürlich ist es kein Problem, aber ich will den Leuten nicht zur Last fallen.
Nachdem wir uns ein wenig für die Nacht eingerichtet haben besteigen wir unsere Gespanne, um auf das etwa 8 Kilometer entfernte Treffen zu fahren. Bert fährt voraus, der sich glücklicherweise von einem Enfield Kumpel ein Navigationsgerät geliehen hat. Wir werden also nicht lange rumsuchen.
Der Diesel von Bert rußt bei Vollgas ganz schön und macht auch ordentlich Krach, so wie es sein muss für einen zünftigen Hatz Motor. Auf der Geraden zieht der Diesel gut und wir fahren eine angenehme Geschwindigkeit, bis die Strecke kurviger wird und es spaßiger wird. Eigentlich seltsam, aber auch beim Gespannfahren machen die Kurven am meisten Spaß. Mit dem Seitenwagen spielen, mit dem Körper arbeiten und zur richtigen Zeit mit dem Gasgriff hantieren, das macht Laune. Interessant auch, dass Bert immer genau andersherum arbeiten muss als ich, denn sein Lastenbeiwagen ist typisch englisch auf der linken Seite montiert, das Boot meiner Ural auf der Rechten. Er gibt in Linkskurven Gas, während ich in Linkskurven das Gas stehen lasse, er ist in den Rechtskurven vorsichtig, während ich das Gas aufmache, um leichter um die Kurve zu kommen. Das ist aber kein Problem, einfach etwas mehr Sicherheitsabstand lassen. Nach einer recht kurzen aber schönen Fahrt erreichen wir das Treffen.
Es ist bereits dunkel und aus den Schatten huscht eine geräumige Holzhütte in das Licht unserer Scheinwerfer. Wir werden von einigen Menschen freundlich begrüßt und erfahren, dass wir die ersten und bisher einzigen Besucher des Treffens sind. Kein Wunder – sind wir doch schon am Donnerstag angereist, während die Meisten erst am Freitag eintrudeln. Bert und ich gehen gemeinsam in die Hütte und lassen uns vom Feuer die Kälte aus den Gliedern treiben, nachdem wir uns der obersten Schicht unserer Kleidung entledigt haben. Dann gibt’s erstmal ein Stubie und es wird etwas auf den Grill geschmissen. Die Veranstalter des Treffens sind allesamt wirklich sehr freundlich und eine humorvolle und lustige Truppe, sofort fühle ich mich wohl, was auch an der sehr schönen Hütte liegt, in deren Mitte eine große Feuerstelle ein wohliges Licht und diesen Geruch von Lagerfeuer verbreitet, den ich so mag. Durch Grillgut, Getränke und Gequatsche schreitet die Zeit schnell voran und irgendwann sind wir müde und treten den Heimweg an.
Nach der üblichen Anzieh- und Startprozedur fahren wir los, doch bei der ersten Steigung fängt die Katjuscha mal wieder an zu mucken, Zündaussetzer beim Gasgeben, ich muss mich auf eine Einfahrt ausrollen lassen, dummerweise geht es abwärts und ich rolle auf einen Hof, der tiefer als die Straße liegt. Bert kriegt davon nichts mit, ich hoffe er sieht mich, wenn er gedreht hat. Ich greife zum “Zündöl”, und jauche WD40 unter den Deckel der Zündung, weil sich hier immer Feuchtigkeit und Frost sammelt und dann dazu führt, dass der Zündfunke nicht mehr ordentlich kommt. Irgendwie wird’s aber immer noch nicht besser, Bert rauscht vorbei und übersieht mich. Nach weiteren Tüddeleien kämpfe ich mich mit großer Mühe von der steilen Einfahrt wieder auf die Straße und fahre weiter. Die Karre läuft wie ein Sack schrauben, sobald ich etwas mehr Gas geben muss. Weil ich Bert nicht finde beschließe ich zu drehen und zurück zur Hütte zu fahren und unterwegs kommt mir ein Wagen mit Warnblinklicht entgegen. Ich werde schon gesucht, Bert wartet bei der Hütte auf mich, wird mir mitgeteilt. Also mit Zündaussetzern zurück zur Hütte und erstmal den rechten Vergaser auseinander. Vielleicht ist es wieder Eis, was sich leider nicht bestätigt. Also nochmal Zündöl sprühen und siehe da: Es zündet wieder. Nach dieser kleinen – in der letzten Zeit ja fast üblichen – Basteleinlage kommen wir dann auch ohne Probleme zurück zu Berts Bruder und hauen uns in die Falle. Der Tag war anstrengend und schnell falle ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Am nächsten Morgen wecken mich die Zwillinge, die im Wohnzimmer und der Küche toben. Nur gut, dass ich den morgendlichen Weckruf der Kinder von Zuhause kenne und mir die Eigenschaft angeeignet habe mich einfach nochmal herumzudrehen und zu dösen. Aber nach einiger Zeit dringt Kaffeeduft in meine Nase, der mich vom Sofa in die Klamotten und schließlich an den Küchentisch treibt. Bert, Magarete und Uli sitzen mit den Kindern am Küchentisch und frühstücken. Da ich selten bis nie morgens etwas esse, dafür aber um so mehr Kaffee trinke, bediene ich mich an der Kanne und werde nach der ersten Tasse so langsam wach. Wir beschließen Uli nach dem Frühstück ein wenig bei seinem Dieselumbau zu helfen. Uli hat sich vor einiger Zeit eine abgewrackte Bullet 350 besorgt, um einen chinesischen Dieselmotor einzubauen. Leider war das gute Stück wohl so am Ende, dass er alles komplett zerlegen musste, um diverse Roststellen zu schweißen und alle Teile neu zu lackieren. Diese Arbeiten hatte er bereits abgeschlossen und nun mit dem Zusammenbau begonnen. Puzzelei.
Also gehen wir nach dem Frühstück in den Heizungsraum und beschauen uns die Enfield. Die vielen herumliegenden Teile erinnern mich an meine erste Komplettrestauration: Ich habe mal den Simson Spatz zerlegt und komplett neu aufgebaut. Eine Unterlegscheibe ist übrigens damals übrig geblieben. Ich trage sie nun an einem Lederband um meinen Hals, denn die Stelle wo sie hingehört fand ich nie.
Eine wichtige Sache hat Uli bei seinem Puzzel bereits gelöst, die Gabel ist drin und das Vorderrad montiert. Das war es aber auch. Nach kurzer Besprechung beschließen wir die Heckpartie des Motorrads zu komplettieren, weil der Heckaufbau der Enfield etwas fummelig ist. Nach und nach montieren wir Hauptständer, Hilfsrahmen, Schutzblech und noch einigen weiteren Kleinscheiß. Am Ende der Bastelarbeit ist die Enfield so weit, dass Hinterrad aufzunehmen, doch das verschieben wir auf morgen. Bert und ich möchten nun zum Treffen fahren.
Die Katjuscha muckt natürlich mal wieder ein wenig beim Antreten, doch Bert hat Startpilot dabei, damit geht’s schneller. Ich muss unbedingt die Schraube vom Zünddeckel ausbohren und die Zündung nachstellen. Außerdem scheint das Ventilspiel doch bereits wieder etwas zu groß zu sein, aber besser zu viel als zu wenig. Das reicht bei den Temperaturen dann natürlich aus und sie springt nicht mehr auf den ersten Tritt an. Und auf den Zweiten auch nicht, und … naja, Startpilot hilft wie gesagt und wir fahren los. Bert fährt wieder voraus und rußt mich mit seinem Diesel ganz schön ein, aber toll mal im Hellen zu fahren. Auch wenn man nicht immer etwas sieht. Ganz schön übel was so ein Diesel bei Vollgas hinten raus würgt.
Ganz ohne den Einsatz von Zündöl kommen wir nach einer schönen Fahrt über die Dörfer an der Hütte an und es sind bereits einige andere Winterfahrer vor Ort. Ich erkenne eine Guzzi mit Hängetitten an deren Seite sich ein Ural Beiwagen schmiegt und noch einige andere Gespanne. Bert und ich steigen ab, gesellen uns zu den Anderen, die teilweise noch vom gestrigen Abend ein wenig gezeichnet sind. Die Party ging wohl doch noch länger.
Kurz darauf rollt ein Zeus Sidebike aus Luxemburg auf den Platz. Schönes Teil, aber teuer. Die Besitzer steigen aus, man kennt sich und wenn nicht, so lernt man sich eben kennen. Bert fragt den Besitzer des interessanten Gefährts ein wenig aus, ich stehe daneben und höre interessiert zu. Interessant beim Zeus Sidebike: Der Beiwagen kommt nicht hoch, und wenn es mal über die vordere Seite nach rechts kippt, ist das kein Problem – der Seitewagen setzt auf, das Antriebsrad verlässt den Boden und nichts passiert. Eine Ural oder anderes Gespann würde sich überschlagen. Und das kann nicht nur schmerzen, sondern ein Überschlag nach rechts, bei rechts montierten Beiwagen kann tödlich enden. Es ist nämlich ziemlich blöd, unter 350 Kilo Russenstahl begraben zu werden. Das Zeus Sidebike ist was dies und viele andere Dinge angeht technisch wirklich gut durchdacht. Ein weiterer Fahrer erzählt ebenfalls von seinem Sidebike, dass er lange Zeit als Autoersatz fuhr – scheint also eine echte Alternative zum Bürgerkäfig zu sein, wobei es mir schon wieder zu langweilig wäre – mal abgesehen vom Preis: Die Dinger laufen problemlos, fahren problemlos und sind dabei noch richtig komfortabel. Das ist aber nur etwas, wenn die Finger nicht ab und an mal ölig werden müssen. Aber dafür hat der Zeus Sidebike Lenker sicherlich noch ein Zweitmotorrad.
Bert hilft ein wenig beim Holz machen, das ist leider nichts für mich. Ich konnte noch nie gut mit einer Axt umgehen, obwohl ich bei World of Warcraft diverse Charaktere spiele, die mit Äxten hantieren. Aber da ist er eben – der Unterschied zwischen virtueller und Realität. Da ich niemanden verletzen will, gehe ich kurzerhand in die Hütte und schlürfe ein Bierchen. Das kann ich besser.
Später fahre ich dann noch kurz zur Tankstelle, Zigaretten für mich und für Uli und Magarete eine flasche Rotwein besorgen. Als kleines Dankeschön für den Schlafplatz und die Gastfreundschaft.
Über den Nachmittag hin treffen noch einige weitere Besucher ein. Der Grill wird mit ordentlich Fleisch bestückt, und die Hütte füllt sich zum Abend hin mit Leben. Das Feuer in der Mitte verbreitet eine angenehme Wärme, niemand muss frieren. Im Hintergrund dudelt von einer Anlage Musik. Alte Schlagerhits mischen sich mit durchaus modernerem Kram, irgendwie witzig. Es wird viel getrunken und gelacht, erzählt und philosophiert, Anekdoten machen die Runde. Sehr angenehme Atmosphäre.
Ein interessantes Gespräch habe ich mit einem anderen Besucher des Treffens, er erzählt mir von seiner Yamaha XJ 650 und das er sich in den Arsch beißen könnte, dass er sie nicht im Originallack gelassen hat, denn nur mit der Originallackierung steigt der Wert auf dem Gebrauchtmarkt in Zukunft wieder. Das bringt mich dazu meinen Plan meine XJ in rot zu lackieren nochmal zu überdenken. Vielleicht ist es wirklich besser sie einfach so zu lassen wie sie ist. Authentisch.
Wir unterhalten uns weiter und ich bekomme noch eine wirklich schön Anekdote zu hören. Jeder kennt das: Wenn Parkplätze knapp sind, stellt man das Mopped halt irgendwo hin, wo es keinen stört, es aber auch keinen Autoparkplatz verschwendet. Selbst ich mache das so, aber leider gab es eine Stadt in Deutschland, die dieses tolerante Verhalten der Motorradfahrer nicht zu schätzen wusste und wo angefangen wurde Knöllchen wegen “Parken auf dem Gehweg” an die Zweiräder zu heften. Ganz schöne Sauerei. Aber wir Motorradfahrer sind ja als Querulanten bekannt und die Lösung dieses Problems war ganz einfach. Es wurde ein Termin am Wochenende ausgemacht, allen Zweiradfreunden in der Umgebung Bescheid gesagt und dann wurde am Samstag ab 7 Uhr morgens vorschriftsmäßigst geparkt. Bei Parkplätzen die nur für zwei Stunden belegt werden durften, gab es einen fliegenden Wechsel und ein anderer Fahrer stellte sich in die Boxengasse. Dies wurde mehrere Tage wiederholt, bis die kleingeistige Stadtverwaltung ihre frevelige Tat eingestand und zusicherte die Motorradfahrer wieder ihren Mitmenschen gegenüber tolerant parken zu lassen. Es geht doch, warum denn nicht gleich so?
Der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte zählt übrigens nicht, deswegen liebe ich solche Anekdoten ja und die bekommst du nur auf Treffen zu hören. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum ich immer so gerne auf Motorradtreffen fahre – es wird einfach viel gequatscht. Über Technik und Motorräder, über dies und das und es gibt immer ein paar lustige Geschichten zum mitnehmen.
Später unterhalte ich mich noch mit einem Harley Fahrer, der auf den ersten Blick ganz nett ist, dann aber einem Veranstalter des Treffens gegenüber zur Sprache bringt, er sei ein wenig der Meinung es handele sich nicht um ein richtiges Wintertreffen, weil es in einer Hütte stattfindet, blablabla. Es liegt einige Minuten echt böses Charma in der Luft und ich frage mich, warum er wenn er so eine harte Sau ist, nicht zum Elefantentreffen fährt? Da kann er sich ja gerne etwas beweisen.
Ich bin der Ansicht, dass es bei Wintertreffen – oder auch bei Motorradtreffen ganz allgemein – nicht darum geht den Larry zu machen. Mir geht’s darum Leute zu treffen, die möglicherweise einige meiner Ansichten und Leidenschaften teilen und natürlich auch um die Anreise und Rückfahrt, die ja auch Bestandteil des Treffens ist. Warum sollten die Veranstalter denn nicht auch bei einem Wintertreffen für eine angenehme Atmosphäre sorgen. Ich meine, mal ganz im Ernst: Wer friert sich denn schon gerne den Allerwertesten ab?
Irgendwann später am Abend werde ich recht schnell müde, ich sage Bert Bescheid und wir düsen los. Die Ural läuft diesmal – nach dem Einsatz von ordentlich Zündöl – ohne Probleme. Zwanzig Minuten später sind wir bei Uli und Magarete. Vor dem Schlafengehen höre ich noch ein wenig Musik, halte jedoch nur einige Lieder von Tocotronic durch, bis mir die Augen zufallen.
Am nächsten Morgen gibt’s erstmal ein ordentliches Frühstück und danach machen wir uns wieder am Dieselprojekt zu schaffen und setzen das Hinterrad ein. Dann meint Uli, es wäre ja nicht schlecht, den Diesel mal laufen zu lassen, also packen er und Bert das Motörchen auf eine Hubkarre und karren ihn in den Hof. Schnell die Batterie anschließen und den E-Start mit dem Schraubenzieher überbrücken, doch irgendetwas stimmt nicht. Der E-Starter schafft es nicht den Kolben über die Kompression zu bringen. Nach fünfzehn Minuten Probiererei geben wir etwas enttäuscht auf. Schade, ich hätte gerne mal gehört, wie so ein Diesel ohne Auspuff klingt. Muss ein ganz schönes Gewitter sein.
Bevor wir zum Treffen fahren muss Bert noch sein Rücklicht richten, da hat es ihm leider das Blech durchvibriert und der Rücklichtträger ist nun klappbar. Mit Unterlegscheiben und neuen Muttern wird die Sache wieder fixiert, doch leider gibt’s noch irgendwo eine elektrische Ameise, denn das Bremslicht will nicht recht funktionieren. Durch die Vibrationen ist sicherlich ein Kabel gebrochen.
Kurz darauf melden sich Sven und Thomas aus dem Enfield Forum, die als Tagesbesucher zum Treffen gekommen sind. “Jetzt aber los!”, sagen wir uns und machen uns abfahrbereit, um den Samstag des Treffens zu genießen. Wobei ich bereits seit gestern überlege, ob ich nicht schon heute am späten Nachmittag zurück reise. Irgendwie vermisse ich Steffi und die Kinder und ich würde gerne noch den ganzen Sonntag in Ruhe mit ihnen verbringen. Außerdem bin ich ja Donnerstags schon angereist, da passt das ja schon irgendwie. Naja, mal sehen. Ich entscheide das spontan.
Auf dem Treffen begrüßen uns Thomas und Sven herzlich, schön ein paar Enfieldtreiber zu treffen. Auch der Yeti trudelt kurz darauf mit seiner Holden ein und wir gehen in die Hütte ein wenig quatschen. Lustig wird’s als Sven mal das Gespannfahren probieren möchte, also schwingt er sich kurzerhand auf Berts öliges Dieselross und eiert los. Es geht holperig vorwärts und ständig stützt er sich mit dem Fuß ab, weil er scheinbar denkt er würde umfallen – was bei einem Gespann natürlich nicht so ohne weiteres möglich ist. Dann versucht er eine Kurve zu fahren, nimmt dabei noch fast einen Busch mit, schafft es dennoch erfolgreich zu wenden, stoppt und steigt schwitzend ab: “Das ist nicht mein Ding”.
Der Yeti probiert es dann auch nochmal und kommt überraschenderweise sofort gut mit dem Gespann klar. Er fährt recht zügig los, dreht ein paar Kurven, wendet und fährt einige Male hin und her. Hier zeigt sich wieder, dass Gespannfahren wirklich nicht für Jeden etwas ist. Muss es ja auch nicht.
Kurz darauf kommen noch Uli und Magarete mit den Kindern vorbei, was mich sehr freut, denn ich habe beschlossen gleich die Biege zu machen und so kann ich mich nochmal herzlich Bedanken und Tschüss sagen. Dann mache ich es kurz und schmerzlos, drücke Bert meine übrig gebliebenen Essensmarken in die Hand, reiche allen die Hand und schwinge mich auf die Katjuscha. Provisorisch noch ein wenig Zündöl und ich rolle los. Ich gebe ordentlich Gas, denn es wird bald dämmern und ich möchte im hellen noch möglichst viel Strecke machen und wenn ich es schaffe den Großraum Köln/Bonn hinter mir lassen.
Ich nehme erstmal die Bundesstraße Richtung Euskirchen und entscheide mich dann spontan bis nach Köln auf der Autobahn zu fahren. Nur so kann ich noch einiges an Kilometern rausholen bis es dunkel wird. Bis ich zur Autobahn gelange genieße ich noch die Sonne, die zwar nicht den Körper, aber das Gemüt wärmt. Irgendwann schwenke ich auf die A1 Richtung Köln während es immer düsterer wird und sich der Himmel im Westen langsam dunkelrot färbt.
Als ich in Köln bin ist es dunkel und ich fahre spontan auf die A4 Richtung Olpe, stelle aber kurz darauf fest, dass es eine ganz schöne scheiß Idee ist. Ich werde weil ich so langsam bin und meine Beleuchtung auch nicht die Beste ist oft angehupt und die Autofahrer regen sich scheinbar über mich auf. Also verlasse ich in Overath entnervt die Dosenbahn und halte an einer Tankstelle, um zu fragen wie ich am schnellsten über die Bundesstraße Richtung Olpe komme. Ein netter Mann erklärt mir den Weg, es ist eigentlich ganz einfach.
Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Es gibt Olpe zwei Mal. Einmal am Biggesee, wo ich eigentlich hin will, und einmal im Bergischen Land. Glücklicherweise hat mich der freundliche Herr nicht zur Bigge geschickt, sondern zu dem kleinen Kaff im Bergischen Land und so bin ich automatisch wieder auf die Strecke gekommen, die ich auf dem Hinweg gefahren bin. Und so finde ich durch diesen netten Zufall wieder zurück auf die Bundesstraße Richtung Wipperfürth.
Von dort aus geht es schnell. Ruckzuck bin ich in Halver und je näher ich dem Ziel, der Wohnung von Steffi komme, umso mehr ziehe ich am Kabel und schmeiße die Ural nur so um die Kurven. Gerade die Strecke von Halver über Brügge nach Lüdenscheid ist reizvoll. Es geht steil bergab und gibt einige nette Serpentinen.
Hinter Lüdenscheid fahre ich an der Lenne entlang, ebenfalls eine kurvenreiche Strecke und dann geht es hinter Werdohl noch einmal den Berg hoch, auch dies ist eine meiner Lieblingsstrecken und hinter Balve erwartet mich das Hönnetal, durch dessen bekannte Kurven ich die Ural mit einer zügigen Geschwindigkeit steuere. Dann geht es nur noch ein wenig gerade aus und ich erreiche Menden. Vom Adrenalin der letzten 40 Kilometer noch ganz berauscht entlade ich das Gespann und freue mich dann wieder bei meinen Lieben zu sein.
Nun ist es vorbei, mein erstes Wintertreffen und gleichzeitig mein erstes Treffen mit der Ural. Schön war’s. Mal wieder was neues, obwohl ich mir mehr Schnee gewünscht hätte. Aber eigentlich waren Hin- und Rückfahrt schon Abenteuer genug.
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8 Kommentare
schrob am 01 Mai 2009 um 13:43
Jetzt weiss ich auch woher die plötzliche Rußfahne weht. 🙂
Wie immer ein schöner Bericht! Scheint echt nett gewesen zu sein.
Lustig finde ich, dass gerade ein Harley Fahrer rumnölt, von wegen (sinngemäß) Weicheierhütte. Da die meisten seiner Markenkollegen nur bei strahlendem Sonnenschein ihre Gefährte aus der Doppelgarage neben dem Benz schieben. 🙂
Aber jeder nach seiner Fasson.
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]schrob am 01 Mai 2009 um 18:27
Sehr sehr schöner Bericht.
@ Alexander:
Fahre zwar auch einen Benz habe aber meine CB500 die letzten 3 Jahre selbst bei Schnee über die Straßen getrieben 😉
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]schrob am 01 Mai 2009 um 23:55
@Bomberpilot: Es ging ja auch primär um die Harley, nicht den Benz. 🙂
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]schrob am 02 Mai 2009 um 21:13
Ein Wintertreffen Bericht Anfang Mai???? Mir wird grad ganz kalt bei den Bildern…..
Aber wirklich schön geschrieben. Auf das Elefantentreffen nach Bayern will ich ja auch schon seit Jahren mal hin. Habs aber bisher terminlich nie auf die Reihe gekriegt.
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]schrob am 04 Mai 2009 um 18:52
Naja, bin halt zu nix gekommen, ist bei längeren Berichten nicht einfach. Ich hab sogar noch 2 Berichte aus 2008 offen … 🙁
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]schrob am 23 Jul 2009 um 07:11
Toll geschriebener Bericht, man kann alles so nachvollziehen, als wäre man selber dabei gewesen.
VG Ralf
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